Die Schattenseiten des chinesischen Wirtschaftswunders: Regionales Entwicklungsgefälle und Armut
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Abstract
Wachsende regionale Entwicklungsunterschiede und über 350 Millionen Chinesen, die nach internationalen Standards unterhalb der Armutsgrenze leben, stehen in krassem Gegensatz zum Image des Wirtschaftswunderlandes. Das zunehmende regionale Entwicklungsgefälle, das Millionen von Wanderarbeitern in die Städte an der Ostküste drängen läßt, um der ländlichen Armut zu entfliehen, verstärkte Anfang der 90er Jahre die Diskussion um die Zunahme zentrifugaler Kräfte. Als Szenario des politisch-wirtschaftlichen Auseinanderfallens Chinas in Teilregionen fand diese Diskussion unter westlichen China-Experten große Beachtung.
Seit Mitte der 90er Jahre hat sich in der politischen Führung ein Stimmungswechsel hinsichtlich der Beurteilung der regionalen Disparitäten und der Armutsbekämpfung vollzogen. Partei und Regierung wollen eine stärker ausgeglichene Regionalentwicklung und mehr Ressourcen für die Reduzierung der Armut einsetzen. Die neuen Zielsetzungen finden ihren Niederschlag in den mittelfristigen Wirtschaftsplanungen, in neuen Gesetzen und Bestimmungen sowie in einer Reihe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
Wie stark die politische Führung vor allem das Thema der Armutsbekämpfung in der Öffentlichkeit besetzt hat, davon konnte sich die Autorin des vorliegenden Beitrages im Herbst 1996 während eines Forschungsaufenthaltes in China selbst überzeugen. Sowohl im Fernsehen als auch in den regierungsamtlichen Tageszeitungen wurde täglich über die Besuche politischer Führer in den Armutsgebieten und über die Position der Partei und Regierung zu diesem Problemkreis berichtet. Welche Bedeutung diesem Thema nach wie vor eingeräumt wird, zeigen die im Januar 1997 veröffentlichten Reden des Ministerpräsidenten Li Peng und des Parteivorsitzenden Jiang Zemin auf der ZK-Konferenz zur Armutsbekämpfung und Entwicklung sowie der Staatsratsbeschluß zur Armutspolitik, die alle von Ende September 1996 datieren.
Im folgenden Beitrag werden Fragen der regionalen Wirtschaftsentwicklung und der Armut in China gemeinsam betrachtet, da Armut in China sich im wesentlichen auf bestimmte Regionen konzentriert. Zunächst werden Ausmaß und Ursachen für die Zunahme des Regionalgefälles untersucht und anschließend nach der Entwicklung und der Ausprägung von Armut in China gefragt. Neue Konzepte zur Reduzierung des regionalen Entwicklungsgefälles und der Armut werden abschließend vorgestellt.
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