Gujarat 2002: Menetekel für Indien?
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Abstract
„The year 2002 was that of Gujarat.“1 Kein anderes innenpolitisches Thema hat im Laufe des Jahres 2002 in Indien mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen als die politische Entwicklung dieses Bundeslandes. Nach dem Erdbeben vom 26. Januar 2001 mit dem Epizentrum im Distrikt Kutch (Kuchchh), bei dem schätzungsweise 17.000 Menschen ums Leben kamen und das in weiten Teilen Gujarats großen Schaden angerichtet hatte, wurden die Pogrome gegen Muslime während der ersten Jahreshälfte 2002 als die zweite Katastrophe dieses Landes bezeichnet. Während jedoch die Folgen des Erdbebens nach einigen Wochen wieder aus den Schlagzeilen verschwunden waren, beschäftigten die Pogrome und die zahlreichen Konsequenzen, die sich vor allem im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl daraus ergaben, die Medien das ganze Jahr hindurch. Gujarat lag 2002 im Schnittpunkt brisanter und für die Zukunft Indiens höchst relevanter Fragen: An erster Stelle ging es dabei freilich um die politische Zukunft eines der wichtigsten indischen Bundesstaaten, um seine wirtschaftliche Entwicklung und soziale Integration. Über Gujarat hinaus ging es zweitens aber auch um die politische Bedeutung des Hindunationalismus, um den Einfluss der Hindutva, der Ideologie einer Bewegung zur Hinduisierung Indiens, und letztlich um die Popularität der nicht nur in Gandhinagar, der Landeshauptstadt Gujarats, sondern auch in Delhi regierenden Bharatiya Janata Party (BJP). Und drittens ging es um die Geltung der in der Verfassung verankerten Grundwerte von Demokratie, Pluralismus und Säkularismus, um die viel gerühmte „composite culture“ und damit um das internationale Ansehen Indiens.