Nicht schwarz, nicht weiß – Die Beschäftigung mit Duterte ist zugleich eine Beschäftigung mit uns selbst

  • Carmel Abao (Autor/in)

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Abstract

Kein philippinischer Präsident hat je so viel Zustimmung bekommen wie Duterte. Einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Pulse Asia im Juli 2016 zufolge vertrauen ihm 91 Prozent der Filipin@s. »Praktisch niemand entzieht ihm sein Vertrauen (0.2 Prozent) – und die restlichen acht Prozent können nicht sagen, ob sie ihm Vertrauen oder nicht«, so Pulse Asia. Unter den Bessergestellten sind es sogar 92 Prozent, die ihm vertrauen, ganz so wie Duterte auch unter ihnen prozentual etwas mehr Stimmen erhalten konnte als unter den Armen. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts SWS zufolge erwarten wiederum 63 Prozent dass er, »wenn auch nicht alle, so zumindest die meisten« seiner Wahlversprechen erfüllen werde. 22 Prozent sagen, dass Duterte »alle oder fast alle« Versprechen erfüllen werde und 41 Prozent sagen, er könne »die meisten« seiner Wahlversprechen erfüllen. Michael Tan, der stets kühl und präzise die kulturellen Dimensionen der Tagespolitik beleuchtet, gelobt in seiner Kolumne vom 27. Juli im Philippine Daily Inquirer daher: »Ich werde meine Meinung überdenken, ich kann – ich möchte – Tatang Digong, wie ihn nun immer mehr Filipinos nennen, vertrauen«. In Europa scheint Duterte auf die rasant angestiegenen außergerichtlichen Hinrichtungen von mutmaßlichen Drogenhändlern und –abhängigen reduziert zu werden – und wird daher als Teufel in Person dargestellt. Fast jeden Tag sind zehn neue Opfer in dem von Duterte ausgerufenen »Krieg gegen Drogen« zu verzeichnen und ein Ende ist nicht abzusehen. In der Tat stößt dieser »Krieg« auf breite Zustimmung, während die kritischen Stimmen wenige sind. Auch mit anderen Mitteln gelingt es Duterte, die Filipin@s nahezu einstimmig hinter sich zu bringen. Dazu gehört sein anti-elitärer Stil, der allem Brimborium um seine Person und sein Amt ein Ende bereiten möchte, dazu gehört auch, dass er dem Volk aufs Maul schaut (und ihm auch manchmal nach dem Mund redet). Gerade unter den Linken begeistert Duterte mit seinen bergbaukritischen Äußerungen und damit, dass er den langjährigen Vorsitzenden der radikalen Bauernorganisation KMP zum Agrarreformminister gemacht hat, sowie mit seinem Versprechen, der weit verbreiteten Befristung von Arbeitsverhältnissen ein Ende zu bereiten. Neben der kleinen Schar der Menschenrechtsorganisationen ist es nur die undogmatische Linke, die kritisch bleibt. Während ein großer Teil der Linken ganz ähnlich wie Michael Tan Duterte den »benefit of the doubt« gibt, zweifeln nur einige daran, dass er wirklich die radikale Erneuerung (pagbabago) bewirken kann, die er dem Land versprochen hat. Carmel Abaos Artikel ist einer der wenigen, die versucht, das Phänomen Duterte zu begreifen und einer Schwarz-Weiß-Malerei zu entgehen.

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Veröffentlicht
2018-09-11
Sprache
de