Zur Diskussion der gesellschaftlichen Position der Frau in Indien. Ein Literaturbericht

Abstract

In Indien hat ebenso wie in Europa und Amerika in den letzten Jahren eine verstärkte Diskussion um die gesellschaftliche Position der Frau eingesetzt. Das wachsende Interesse, das dieser Frage in Indien heute entgegengebracht wird, spiegelt sich wider in der zunehmenden Zahl wissenschaftlicher und journalistischer Publikationen, die sich mit der gesellschaftlichen Lage der Frau befassen. Im Mittelpunkt der indischen Diskussion stehen ebenso wie in den Auseinandersetzungen, die im amerikanisch-europäischen Raum vor allem von Vertreterinnen radikal-demokratischer und sozialistischer Bewegungen um die Rolle der Frau geführt werden, die Begriffe der Emanzipation, der Gleichstellung der Frau mit dem Mann. Doch trotz der zeitlichen Koinzidenz der indischen und der amerikanischeuropäischen Diskussion der Frauenfrage und trotz der Gleichheit der Termini, die hier wie dort verwendet werden, unterscheiden sich beide Auseinandersetzungen in ihrem Inhalt und ihren Intentionen voneinander. In der indischen Diskussion geht es zum einen um die Begründung des formalen Rechtes der Frau auf einen Platz in der Gesellschaft, d. h. außerhalb des familialen Bereichs, in den sie bislang nahezu ausschließlich verwiesen war. Obwohl den indischen Frauen bereits mit der Annahme der Verfassung nach der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 die gesellschaftliche Gleichstellung mit dem Mann garantiert wurde, wird eigentlich erst heute versucht, dieses Recht zu legitimieren, ohne daß jedoch dabei — wie gegenwärtig in den westlich-industriellen Gesellschaften — zugleich auch die Forderung nach einer faktischen Angleichung der Lebenschancen der Frau an die des Mannes erhoben würde.