Informelle Gerichte und gerichtlicher Aktivismus - Indien "ingeniöses" Rechtssystem
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Abstract
In Indien gibt es viele benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Dabei haben die jeweiligen Diskriminierungen völlig verschiedene Gründe. Zunächst ist das Kastensystem zu nennen, das nach mehreren Jahrtausenden Praxis nicht mit einem Federstrich in der indischen Verfassung aus der indischen Wirklichkeit zu entfernen ist. Die Verfassungsgeber waren sich bei der Einführung des Antidiskriminierungsartikels durchaus der langen Tradition des Kastensystems bewusst, denn sie verboten nicht das Kastensystem an sich, sondern vielmehr bestimmte Handlungen, die vom Kastendenken geleitet werden. Für eine Verfassung ist die Regelung ungewöhnlich detailliert. Der Staat darf gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verfassung niemanden aus Kastengründen bevorzugen oder benachteiligen. Der Inhalt von Art. 15 Abs. 2 lit. a) bezieht sich sogar unmittelbar auf Privatpersonen, was für einen Verfassungstext auch keine Selbstverständlichkeit darstellt: Niemandem darf der Zutritt zu Geschäften, Restaurants, Hotels und Vergnügungsplätzen verwehrt werden. In Art. 15 Abs. 2 lit. b) zeigt sich wieder der besondere Charakter einer auf Indien zugeschnittenen Verfassung, wenn dem Staat oder staatlich geförderten Institutionen verboten wird, aus Kastengründen jemandem den Zutritt zu Brunnen, künstlichen Seen, Badeplätzen, Strassen und öffentlichen Plätzen zu verbieten.