Kain no matsuei von Arishima Takeo: Eine intertextuelle Analyse im Kontext des Taishō-zeitlichen Vitalismus
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Abstract
Die Interpretation des Romans Kain no matsuei カインの末裔 („Ein Nachkomme Kains“, 1917), der als eines der Hauptwerke von Arishima Takeo 有島武郎 (1878-1923) gilt, ist umstritten. Die dominante Interpretation betrachtet das Werk als eine Tragödie, in der die Niederlage des Protagonisten gegen die Gesellschaft dargestellt wird. Diese Deutung liegt z.B auch der jüngsten Verfilmung Kain no matsuei des Regisseurs Oku Shūtarō 奥秀太郎 (1975-) von 2006 zugrunde. Oku wollte nach eigener Aussage eine „düstere Erzählung, die weder Liebe, Traum noch Hoffnung kennt“ verfilmen, mit einem „Helden, der keine Sympathie erweckt“. Die dominante Auslegung des Textes als bloße naturalistische Studie oder pessimistisches Moralstück ignoriert jedoch sowohl wesentliche Elemente der Erzählung selbst (wie z.B. Titel und Epigraph des Werkes) als auch ihr textliches Umfeld. Die vorliegende Untersuchung bietet durch eine intertextuelle Lesart der Erzählung eine neue, plausiblere Interpretation, die ihren geistesgeschichtlichen Hintergrund im sogenannten „Vitalismus“ der Taishō-Zeit, dem auch Arishima anhing, verortet. Dieser schlägt sich insbesondere in der kraftstrotzenden, vitalen und instinktgetriebenen Darstellung der zentralen Figur Nin’emons nieder. Mittels einer intertextuell-geistesgeschichtlichen Betrachtung der Erzählung zeigt diese Untersuchung daher, dass, entgegen der gängigen Interpretation, der Roman Kain no matsuei durchaus als aggressiv lebensbejahende Erzählung gelesen werden kann und so auch von Arishima selbst konzipiert war. Diese Neuinterpretation und die gewonnenen geistesgeschichtlichen Erkenntnisse werfen wiederum ein neues Licht auf Arishimas Gesamtwerk und Leben selbst, deren Einfluss über den Bereich der Literatur hinausgeht.