Savarkar – „Volksfeind“ oder Nationalheld? Dokumentation einer Debatte über das Selbstverständnis der indischen Nation
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Abstract
Die partielle Demontage einer Gedenktafel2 hat einen ständig schwelenden ideologischen Grundsatzstreit um die Identität und das Selbstverständnis der indischen Nation erneut entflammt. Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist die wohl umstrittenste und facettenreichste Figur der indischen Geschichte, Vinayak Damodar Savarkar. Sein Leben und Wirken, allem voran seine literarischen Arbeiten, weisen zahlreiche paradoxe und kontroverse Phänomene auf. Seine politische Vision für ein postkoloniales Indien, manifestiert in der Sozialund Staatstheorie Hindutva, standen von Anfang an in diametralem Gegensatz zu den Verfassungsprinzipien der neu gegründeten Indischen Union. Insbesondere seine folgenreiche Definition eines Hindu, verstanden als ein zu erfüllender Kriterienkatalog für den Erwerb der Staatsbürgerschaft, führte dazu, dass er als personifizierter Antipode zu dem durch die Unabhängigkeitsbewegung unter der Führung von Mohandas Karamchand (Mahatma) Gandhi proklamierten Fundamentalkonsens der indischen Gesellschaft betrachtet wurde. Diese prinzipielle Übereinstimung bezüglich der Grundwerte der indischen Gesellschaft, dass damit implizierte Selbstverständnis der Nation und die Legitimität der darauf aufgebauten sozialstrukturellen wie politischen Organisation wird zunehmend durch verschiedene Gruppen der Gesellschaft unter Berufung auf Savarkars Hindutva in den letzten beiden Dekaden herausgefordert und in Frage gestellt. Dieses in Verbindung mit seinem Einsatz für einen militanten Aktivismus und Nationalismus zur Befreiung Indiens von der britischen Kolonialmacht rückte ihn in den Mittelpunkt des kritischen öffentlichen Diskurses.